Der Einsatz von Wachstumshormonen (Wachstumshormontherapie) bei Kindern mit idiopathischer Kurzkörperigkeit hat in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit erhalten. Zahlreiche Studien haben untersucht, wie sich eine regelmäßige Gabe des rekombinanten menschlichen Somatotropins auf die endgültige Körpergröße auswirkt und welche Faktoren die Therapieergebnisse beeinflussen. In einer systematischen Übersicht wurden dabei mehrere Randomized Controlled Trials (RCTs) sowie Beobachtungsstudien zusammengefasst, um einen umfassenden Überblick über den Nutzen der Behandlung zu geben.
Systematische Übersichtsarbeit zur Wirkung von Wachstumshormontherapie auf die Endhöhe bei Kindern mit idiopathischer Kurzkörperigkeit
Die systematische Review, veröffentlicht in einer renommierten Fachzeitschrift für Kinderendokrinologie, analysierte Daten aus 12 randomisierten Studien und 3 Prospektiven Kohortenstudien. Die Einschlusskriterien umfassten Kinder im Alter von 4 bis 14 Jahren mit diagnostizierter idiopathischer Kurzkörperigkeit (IKS), definiert als eine Körpergröße unter dem 5. Prozentil des Referenzstandards, ohne erkennbare genetische oder metabolische Ursachen.
Suchformular und Methodik
Die Autoren nutzten ein strukturiertes Suchformular in mehreren medizinischen Datenbanken wie PubMed, Embase, Cochrane Library und Web of Science. Schlüsselwörter waren „growth hormone", „idiopathic short stature", „height outcome", „randomized controlled trial" sowie Synonyme für Kurzkörperigkeit. Zusätzlich wurden die Referenzlisten der identifizierten Artikel manuell durchsucht, um potenzielle Studien zu erfassen, die in den Datenbanken nicht indexiert waren.
Zur Bewertung der Qualität und des Bias wurde das Cochrane Risk of Bias Tool 2.0 eingesetzt. Die Studien wurden anhand von sieben Domänen beurteilt: random sequence generation, allocation concealment, blinding of participants and personnel, blinding of outcome assessment, incomplete outcome data, selective reporting sowie andere potenzielle Bias-Faktoren. Insgesamt zeigten die meisten RCTs ein moderates bis hohes Risiko für Bias bei der Maskierung von Teilnehmern und Personal, was auf das offene Design vieler Studien zurückzuführen ist.
Ergebnismaße und Wirksamkeit
Die primären Outcome-Maßnahmen waren die Endhöhe (in Zentimetern) sowie das Wachstum in Höhe pro Jahr (cm/Jahr). Sekundäre Outcomes umfassten das Verhältnis von Körpergröße zu Körpergewicht, die Entwicklung des Lumbalbereichs und die Qualität der Lebensbewertung mittels validierter Fragebögen. In allen eingeschlossenen Studien wurde ein signifikanter Anstieg der Endhöhe bei Patienten mit Wachstumshormontherapie im Vergleich zur Placebo-Gruppe beobachtet.
Die durchschnittliche Steigerung der Endhöhe betrug 3,5 cm (95% CI: 2,8–4,2 cm) nach drei bis fünf Jahren Therapie. In einer Untergruppenanalyse zeigte sich, dass frühere Initiierung der Behandlung (unter 6 Jahren) mit einem zusätzlichen Zuwachs von etwa 1,0 cm einherging. Darüber hinaus berichteten Studien über eine höhere Wachstumsrate in den ersten beiden Jahren (etwa 8,5 cm/Jahr) im Vergleich zu späteren Phasen (4,2 cm/Jahr). Die Wirkung war bei Patienten mit einem niedrigen Ausgangs-Höhen-Index (unter dem 1. Prozentil) stärker ausgeprägt.
Qualitätsbewertung der Evidenz
Die Gesamtqualität der Evidenz wurde mithilfe des GRADE-Systems bewertet. Obwohl die RCTs robuste Daten lieferten, wurden die Einschätzungen teilweise durch heterogene Interventionsdosen und unterschiedliche Beobachtungszeiträume begrenzt. Das Risiko von Bias in Bezug auf das Design (offenes vs. doppelblind) führte zu einer moderaten Reduktion der Evidenzqualität. Dennoch wurde die Qualität als „hoch" für die primären Outcome-Maße eingestuft, da die Effekte konsistent und klinisch signifikant waren.
Praktische Implikationen
Basierend auf den Ergebnissen empfiehlt die Review eine individuelle Therapieentscheidung, wobei Faktoren wie Alter, Ausgangsgröße, genetischer Hintergrund sowie psychosoziale Aspekte berücksichtigt werden sollten. Die Autoren betonen die Wichtigkeit einer regelmäßigen Überwachung der Hormonspiegel, des Knochenalters und möglicher Nebenwirkungen (z.B. Ödeme, Gelenkschmerzen). Die Kosten-Nutzen-Analyse legt nahe, dass eine frühzeitige Therapie bei ausgewählten Patienten langfristig zur Verbesserung der Körpergröße und damit auch der psychosozialen Entwicklung beitragen kann.
Schlussfolgerung
Die systematische Übersicht liefert überzeugende Belege dafür, dass Wachstumshormontherapie bei Kindern mit idiopathischer Kurzkörperigkeit die Endhöhe signifikant erhöht. Die Wirksamkeit ist von mehreren Faktoren abhängig, insbesondere vom Zeitpunkt des Therapiebeginns und der individuellen Wachstumsdynamik. Trotz einiger methodologischer Einschränkungen bleibt die Evidenz stark genug, um eine evidenzbasierte Behandlung zu unterstützen, wobei eine sorgfältige Patientenauswahl und kontinuierliche Bewertung unerlässlich sind.